Lärmschutz: Jetzt drohen Streckensperrungen

Die schöne Jahreszeit lädt nicht nur Sonnenhungrige, Wanderer und Gartenfreunde dazu ein, ihre Freizeit in der Natur zu verbringen – auch Motorradfahrer haben von Frühling bis Herbst Hochkonjunktur. Allerdings drohen nun harte Zeiten für Biker. Der Grund: Wegen massiver Beschwerden von Urlaubsgästen und Anwohnern überlegen die Verantwortlichen vielerorts, Maßnahmen gegen Motorradfahrer zu ergreifen. In letzter Konsequenz könnten bestimmte Strecken sogar gesperrt werden.

Weshalb gibt es Proteste?

Vor allem der Lärm der Motorräder ist es, der Bürger, Urlaubsgäste und Behörden auf die Palme bringt. Karl-Heinz Hermanns, Bürgermeister des Eifelortes Simmerath will aber nicht alle Biker über einen Kamm scheren. In erster Linie seien es einige schwarze Schafe, die ihre Maschinen bis an die Leistungsgrenze bringen – oft ohne Rücksicht auf Geschwindigkeitsbeschränkungen oder gar auf die Anwohner. Denn in der Eifel würden diese Rennstrecken bevorzugt in den frühen Morgenstunden von Bikern benutzt. Dann sind die Straßen üblicherweise frei und die Lärmbelästigung durch Motorräder naturgemäß am höchsten. Dass sich der weitaus größte Teil der Motorradfahrer korrekt und ordnungsgemäß verhält, ist den Verantwortlichen durchaus bewusst. Es seien einige Raser, die das Ansehen der gesamten Bikerszene in Verruf bringen würde. In der Eifel will man nach dem Vorbild des Sauerlandes auf das Problem reagieren. Dort haben die Städte Schmallenberg, Meschede, Sundern und Arnsberg, die Polizei und der Hochsauerland-Kreis die „Ordnungspartnerschaft Motorradlärm“ gegründet.

Die Polizei hatte hier bereits für die Motorradsaison 2014 ein Schallpegelmessgerät in Betrieb genommen. Damit wird kontrolliert, ob die Bikes in dem Dezibel-Bereich fahren, der auch im Fahrzeugschein festgeschrieben ist. Die Ordnungshüter wollen damit den Bikern auf die Schliche kommen, welche durch ihre Fahrweise oder manipulierte Schalldämpfer unnötig Lärm erzeugen. In letzterem Fall erlischt augenblicklich die Betriebserlaubnis, wenn ein entsprechendes Gerät gefunden wird.

Weitreichende Lärmschutz-Pläne in Baden-Württemberg

LärmschutzEinen Schritt weiter gehen will jetzt jedoch die Baden-Württembergische Landesregierung, wie sich bei einem Informationsgespräch zeigte, zu dem Verkehrs- und Infrastrukturminister Winfried Hermann Vertreter der Rennleitung 110, einer Biker-Initiative, sowie der Biker Union eingeladen hatte. Der Minister plant dem Motorradlärm mit einem zweistufigen Plan entgegenwirken.

Zunächst sollen auf den bekannten Problemstrecken Dialog-Displays aufgestellt, welche in etwa mit variablen Tempoanzeigen verglichen werden können und die Biker auf einen zu hohen Lärmpegel hinweisen sollen. Zudem appellierte Hermann an die Interessenvertreter, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf Biker einzuwirken. Sollte sich kein messbarer Erfolg einstellen, will der Minister Streckensperrungen für Motorräder veranlassen. Auch das wird im Sauerland und in der Eifel zumindest teilweise schon praktiziert. Allerdings aus einem anderen Grund: Besonders unfallträchtige Strecken dürfen am Wochenende nicht von Motorrädern befahren werden. Denn so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint, sind Verkehrsbeschränkungen juristisch dann doch nicht durchzusetzen.

Die rechtlichen Voraussetzungen für Streckensperrungen

Damit eine juristisch haltbare Streckensperrung durchgesetzt werden kann, muss auf der jeweiligen Strecke ein ortsunübliches Zweirad-Aufkommen gegeben sein. Dies sei der Fall, wenn das Verkehrsaufkommen „ausschließlich oder ganz überwiegend aus Motorrädern besteht, so das Oberverwaltungsgericht Münster (Aktenzeichen 8 A 3743/06). Allerdings sei die absolute Zahl an Motorrädern nicht der alleinige Maßstab, sagt Gerhard Scholl von der obersten Straßenverkehrsbehörde in Baden-Württemberg. Er führt die B 463 zwischen Calw und Nagold als Beispiel an. Hier seien zwar sehr viele Motorräder unterwegs, jedoch nicht überdurchschnittlich viele. Auf der L83 zwischen der B 463 und der Schwarzenbachtalsperre – einer sehr dünn besiedelten Region – werden hingegen stündlich bis zu 214 Biker gezählt.

Scholl kann sich beispielsweise folgende Definition für ein ortsunübliches Verkehrsaufkommen vorstellen: etwa wenn es sich bei mehr als der Hälfte aller Fahrzeuge, die an bestimmten Tagen unterwegs sind, um Motorräder handelt. Ermittelt werden könne diese Zahl durch die automatische Verkehrszählung, welche von Baden-Württembergs Verkehrsministerium in Zusammenarbeit mit einem Aachener Ingenieurbüro entwickelt wurde. Durch dieses Verfahren kann nicht nur die Zahl der Fahrzeuge ermittelt werden, sondern auch, ob es sich um ein Motorrad, einen Pkw oder einen Bus handelt. Auch die Geschwindigkeit wird von den Zählgeräte, die sich in Leitpfosten einbauen lassen, ermittelt.

Ähnlich solides Zahlenmaterial könnte dann bald auch in anderen Bundesländern zur Verfügung stehen. Die Verkehrsbelastung auf Deutschlands Straßen muss ohnehin im Fünf-Jahres-Takt durch eine Zählung ermittelt werden. In der Vergangenheit wurden die Werte an mehr als 45.000 Zählstellen ermittelt. Dies stellte jedoch aus Kostengründen im Grunde nur eine stichprobenmäßige Zählung dar, bei der Kreis- und Landesstraßen ebenfalls kaum berücksichtigt wurden.

Einzelfälle müssen geprüft werden

Die rechtliche Grundlage für eventuelle Straßensperrungen ist in § 45 der Straßenverkehrsordnung geregelt, wonach „zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm oder Abgasen“ das Benutzen einer Straße beschränkt werden kann. Die Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung sei es jedoch, dass die Lärm- oder Abgasbelastung der Bevölkerung unzumutbar sei, so Prof. Dr. Gerrit Manssen vom Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Regensburg. Ob die Belästigung unzumutbar sei, hänge jedoch stark vom individuellen Fall ab, etwa ob die Anwohner in einer ruhigen Wohngegend oder an einer stark befahrenen Straße leben. Weil die Sperrung einen erheblichen Eingriff in die eigentliche Bestimmung einer Straße darstelle, müsse zunächst mit anderen Mitteln versucht werden, die Situation zu verbessern. Die Straßensperrung für Motorräder sieht der Prof. Dr. Manssen deshalb als letztes Mittel, wenn andere Maßnahmen nicht greifen.

Bild: REK  / pixelio.de

Ein Kommentar

  1. Hallo,
    also manchmal können manche Menschen es mit ihrer Überempfindlichkeit auch übertreiben, finde ich. Wenn man an einer Straße lebt, kann man sich nun mal denken, dass da auch mal ein Bike vorbei fährt.
    Grüße aus Brixen Südtirol

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